Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzender des Unterausschusses für Internationale Ordnung und die Vereinten Nationen ist es mir eine große Ehre, hier heute zum Anlass des 80. Geburtstags der Vereinten Nationen zu sprechen. Acht Jahrzehnte sind vergangen, acht Jahrzehnte, in denen sich die Welt grundlegend verändert hat. Und ich weiß, dass die Zeiten nicht zum Jubeln einladen. Aber lassen Sie mich den vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Vereinten Nationen zurufen: Danke für Ihren und euren Einsatz, für euer Commitment, eure Leidenschaft! Im Namen des ganzen Hauses danke ich Ihnen. Alles Gute zum Geburtstag!
Wenn wir heute auf den Tag der Gründung zurückblicken, auf den 24. Oktober 1945 – der Außenminister hat es gesagt -, wo auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs die Vertreterinnen von 50 Staaten in San Francisco zusammenkamen, um die Charta der Vereinten Nationen zu unterzeichnen, dann können wir feststellen: Dieser Schritt prägt die Welt bis heute. Er bestimmt unsere Weltordnung. Und das ist gut so, meine Damen und Herren. Für mich gilt die Losung: 80 Jahre sind nicht genug!
Lassen Sie mich noch mal betonen: Was die Vereinten Nationen seit ihrer Gründung alles geschafft haben, ist nichts weniger, als einer gemeinsamen Vision Leben einzuhauchen – der Vision von einer Welt, in der jeder Mensch mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet ist und in Würde lebt, einer Welt, in der der Erhalt von Frieden und das gemeinsame Handeln gegen Aggression die oberste Priorität hat. Meine Damen und Herren, dieser Saal, wo 193 Staaten zusammenkommen, ist die Realität dieser Vision, und die gilt es zu verteidigen.
Ich weiß, dass die aktuelle Weltlage alles andere als einfach ist: 61 Kriege und bewaffnete Konflikte, fast 130 Millionen Flüchtlinge, über 300 Millionen Menschen, die vom Hunger bedroht sind. Ja, die Zeiten sind schwer. Aber der Bedarf an gemeinsamem Handeln im Rahmen der Vereinten Nationen ist größer als je zuvor.
Gleichzeitig ist auch klar, dass wir die UN fortlaufend reformieren müssen. Wir müssen uns an den Reformen beteiligen, die jetzt auf dem Tisch liegen. Wir müssen auch an der Reform des Sicherheitsrates arbeiten. Ich bin überzeugt: Wir müssen vor allen Dingen auch den Globalen Süden auf Augenhöhe an diesen Reformprozessen beteiligen.
Es kann nicht sein, dass wir paternalisieren, dass wir dies von oben herab mit dem Geldbeutel machen, wie wir das von hier vorne gehört haben. Das gehört sich nicht. Eine stärkere Beteiligung dieser Länder ist geboten und auch eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft, die beim Humanitarian Reset maßgeblich mitwirken sollte, meine Damen und Herren.
Nur als ein Beispiel für die Katastrophen, die wir erleben: Ich war letzte Woche in Asien und habe mir die Folgen des brutalen Bürgerkriegs in Myanmar angeschaut. Bangladesch – 170 Millionen Einwohner, im Index unter den Least Developed Countries, mit großen Herausforderungen versehen – beherbergt 1,2 Millionen Rohingya auf 2 500 Hektar. Ganz ehrlich: Meine Damen und Herren, wenn wir hier wegsehen, wird uns das Schicksal dieser Menschen irgendwann erreichen, und das nicht nur in Form von Flucht, sondern auch in Form von vielen anderen Dingen mehr. Die Welt ist ein globales Dorf, und deswegen ist es so wichtig, darauf zu achten.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen und fragen, was Deutschland tun kann. Wir brauchen eine verlässliche finanzielle Beteiligung. Ich rufe den regierungstragenden Fraktionen in diesem Haus zu: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir das humanitäre System stabilisieren können! Ich bitte Sie flehentlich: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir auf das Elend der Welt eine zuverlässige Antwort geben! Wir können hier nicht jedes Jahr Kürzungen vornehmen und damit Leute, die darauf angewiesen sind, die damit rechnen, die es brauchen, im Stich lassen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Erinnern Sie sich an Klaus Töpfer! Wenn es die Vereinten Nationen nicht gäbe, man müsste sie erfinden.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und die Gelegenheit zur Debatte.
