Gastbeitrag Frankfurter Rundschau: Cox`s Bazar, Symbol einer vergessenen Katastrophe

Bild MdB Boris Mijatovic Reise Bangladesch Thailand
© Denise Bentele

Im Lager Cox’s Bazar in Bangladesch leben 1,2 Millionen Rohingya unter prekärsten Bedingungen – die Budgetkürzungen verschärfen die Krise. Ein Gastbeitrag von Boris Mijatovic.

Die Volksgruppe der Rohingya gilt als die am stärksten verfolgte Minderheit auf der Welt. Seit 2017 werden sie aus ihren Dörfern vertrieben, Frauen vergewaltigt, Familien ermordet, ganze Landstriche niedergebrannt. Vor dem Internationalen Gerichtshof läuft auf Initiative Gambias ein Verfahren gegen Myanmar wegen des Verdachts auf Völkermord. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen muss entscheiden, ob das Militärregime die Auslöschung dieser Volksgruppe beabsichtigt. Deutschland hat sich dieser Klage Gambias 2022 angeschlossen.

Zugleich kürzt die Koalition im Bundestag die dringend benötigten Mittel für die humanitäre Hilfe um mehr als die Hälfte. Deutschland folgt so einem gefährlichen Trend. Viele Geberländer ziehen sich aus der Verantwortung zurück. Was bleibt, ist persönliche Verzweiflung bei Millionen Menschen, die auf diese humanitäre Hilfe angewiesen sind. Das humanitäre System steht wie auch die Vereinten Nationen massiv unter Druck.

Das Flüchtlingslager im Distrikt Cox’s Bazar in Bangladesch ist das größte der Welt. Auf 2600 Hektar leben 1,2 Millionen Rohingya unter schwersten Bedingungen. Pro Monat stehen jedem Geflüchteten gerade mal zwölf US-Dollar zur Verfügung. Unterernährung ist weit verbreitet, besonders Kinder sind gefährdet. Vor zwei Jahren wurden die Mittel kurzzeitig auf acht US-Dollar pro Monat gesenkt. Krankheiten führten zu höheren Folgekosten in der medizinischen Versorgung.

Perspektiven haben die Menschen nicht. Sie dürfen das Lager nicht verlassen, arbeiten ist untersagt. Nicht mal die Infrastruktur darf befestigt werden. Sandsäcke sind das Symbol einer Politik, die auf baldige Rückführung der Geflüchteten setzt, obwohl diese wegen der anhaltenden Verfolgung lebensgefährlich ist. Eine ineffiziente und teure Interimslösung für eine längst dauerhafte Aufgabe.

Inzwischen wurde eine Generation in Cox’s Bazar geboren, die nichts anderes kennt als das Leben im Flüchtlingslager – ohne Heimat, ohne Staatsangehörigkeit, ohne richtige Bildungschancen.

Diese fehlenden Perspektiven werden nun durch die Kürzungen dramatisch verschärft – ein fatales Signal. Gerade in Zeiten vermehrter globaler Krisen braucht die Welt Verlässlichkeit statt Rückzug. Diese Kürzungen bedrohen nicht nur Menschenleben, sondern schwächen die Stabilität in der Region. Seit dem Putsch 2021 herrscht die Militärjunta mit brutaler Repression. Jeder Versuch, demokratische Strukturen wiederherzustellen, wird mit Gewalt beantwortet. Und doch gibt es eine junge Generation Z auch in Myanmar: die vermutlich mutigste Demokratiebewegung Asiens.

Für Ende Dezember plant die Militärjunta Wahlen. Doch diese Wahlen sind eine Farce. Die gewählte Regierung sitzt im Gefängnis, die Partei National League for Democracy (NLD) ist verboten, Oppositionelle werden verfolgt. Diese „Wahlen“ sind der offensichtliche Versuch einer brutalen Militärdiktatur, sich einen demokratischen Anstrich zu verleihen.

Die internationale Gemeinschaft, auch Deutschland und die EU, müssen klarmachen: Diese Wahlfarce darf keine Anerkennung bekommen. Millionen von Menschen sind auf der Flucht, die Hälfte der Bevölkerung lebt in bitterster Armut, die militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung dauert an. Laut dem ACLED-Konfliktindex ist Myanmar das zweitgefährlichste Land der Welt. Angesichts der Brutalität der Junta darf es keine Normalisierung der Beziehungen geben.

Im Sommer hat die Volksrepublik China jedoch ihre Unterstützung für die Wahlen bekanntgegeben. Enge wirtschaftliche Beziehungen zum Beispiel in der Belt-and-road-Initiative scheinen wichtiger als die Isolierung der Junta aufgrund ihrer Verbrechen. Die Asean-Staaten dürfen diesem gefährlichen Kurs nicht folgen. Auch sie tragen Verantwortung für regionale Stabilität und das humanitäre Völkerrecht.

Deutschland ist gut beraten, seine Kürzungen in der humanitären Hilfe zurückzunehmen und mit klarer Haltung internationale Verlässlichkeit zurückzugewinnen. Wegschauen gefährdet nicht nur Menschenleben, sondern auch die deutsche Glaubwürdigkeit in der internationalen Gemeinschaft.

Quelle: https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/deutschland-kuerzt-unterstuetzung-fuer-rohingya-fluechtlinge-94023484.html