Happy Birthday, Bundeswehr: Unsere Truppe verdient Respekt

Boris Reichstaggebaeude Mai2023

Ein Gastbeitrag von Omid Nouripour, Sara Nanni und Boris Mijatović

Die Bundeswehr wird 70 Jahre alt. Auch für die Grünen ein Anlass für Glückwünsche. Das war nicht immer so, räumen Omid, Nouripour, Sara Nanni und Boris Mijatović in einem Gastbeitrag für ntv.de ein. Längst aber gilt der Partei die Bundeswehr als Garant von Freiheit und Demokratie.

Vor 70 Jahren, am 12. November 1955, wurde die Bundeswehr auf den Trümmern der Geschichte gegründet. Damals war sie weder einsatzbereit noch breit in der Gesellschaft verankert. Frauen waren vom Dienst ausgeschlossen und viele ehemalige Wehrmachtssoldaten waren maßgeblich bei der Gründung beteiligt. In den vergangenen sieben Jahrzehnten hat die Bundeswehr einen bemerkenswerten Wandel durchlebt. Heute ist sie eine der größten Streitkräfte in Europa, international für ihre Professionalität hochgeschätzt und bildet unsere Gesellschaft sehr gut ab. Diese Entwicklungen müssen voran- und nicht hintertrieben werden. Ein Schlüssel dafür ist gerade für die Politik, die Bundeswehr als Teil unserer demokratischen Gesellschaft ernst zu nehmen.

„Nie wieder Krieg“ – dieses grundlegende Versprechen prägte die aus Ruinen aufstehende deutsche Nachkriegsgesellschaft nach den unermesslichen Grausamkeiten und Verbrechen der Shoah und den Millionen Opfern des Zweiten Weltkrieges. Die Sorgen vor den Konsequenzen einer Wiederbewaffnung waren entsprechend groß, doch die Lebensrealitäten des Kalten Krieges machten ein Umdenken unausweichlich. Am 12. November 1955 war es Theodor Blank, der als erster Verteidigungsminister die 101 Freiwilligen ernannte und der Bundeswehr im März des darauffolgenden Jahres ihren Namen schenkte. Das damalige Leitbild des ‚Staatsbürgers in Uniform‘ gilt damals so wie heute: Die Bundeswehr ist mehr als nur eine militärische Institution – sie ist ein aktiver Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft.

Der ursprüngliche Auftrag der jungen Bundeswehr konzentrierte sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Mit der Wiedervereinigung stellte sich zunehmend die Frage nach der künftigen Rolle der Bundeswehr und der Relevanz der Nato. Diese Überlegungen wurden jäh beendet, als in den 1990er Jahren mit den Kriegen auf dem Westbalkan die Schrecken des Krieges nach Europa zurückkehrten. Nach der Beteiligung am UN-Einsatz in Kambodscha übernahm die Bundeswehr nun auch im Rahmen der Nato internationale Verantwortung – und das in direkter europäischer Nachbarschaft. Noch heute bedanken sich Kosovaren und viele Menschen in Bosnien und Herzegowina bei deutschen Soldatinnen und Soldaten und Verantwortungsträgern dafür, dass ihrem Volk durch den Einsatz das Leben gerettet wurde. Davon wissen nur wenige in unserer Gesellschaft.

In diesem Jahr ist es genau 30 Jahre her, dass sich Deutschland zum ersten Mal an einer Nato-Mission außerhalb des Bündnisgebiets beteiligt hat. Die multinationale Friedenstruppe Implementation Force (IFOR) wurde 1995 von den Vereinten Nationen eingesetzt, um das Dayton-Friedensabkommen in Bosnien und Herzegowina umzusetzen und den Waffenstillstand abzusichern. Das war nach den massiven Protesten, die es in Deutschland gegen die US-geführte Allianz zur Befreiung von Kuwait von Saddam Hussein gegeben hatte, keine Selbstverständlichkeit.

Für unsere Partei waren es die Kriegsgräuel in Bosnien und Herzegowina, die Belagerung Sarajevos und der Völkermord von Srebrenica, die uns dazu brachten, über Krieg, Frieden und militärische Gewalt neu nachzudenken. Es war damals richtig, gerade auch wegen Deutschlands historischer Verantwortung, den Frieden in Bosnien und Herzegowina und die regionale Stabilität zu unterstützen, wie es heute richtig ist, der Ukraine im Kampf für ihre und unsere europäische Freiheit beizustehen. Weil sich sonst Diktatur, Terror und Unterdrückung Bahn brechen.

Für die Bundeswehr bedeuteten die Einsätze in den Konfliktgebieten in Südosteuropa, in Afghanistan und später in Mali völlig neue Aufgaben und Anforderungen. In diesen Einsätzen gehörte u.a. der Aufbau eines demokratischen Staates und der Schutz vor Terrorismus zu den zentralen Aufgaben, während die Bundeswehr zunehmend gegen nichtstaatliche Akteure wie die Taliban und andere Partisanengruppen kämpfte. Zu Recht wurden diese Einsätze immer kritisch begleitet, denn oft stand die von der Politik vorgegebene Wahl der Mittel und Zielsetzung nicht im Einklang miteinander. Für den Preis, den dies für die Truppe hatte, haben sich dabei nur wenige interessiert.

Dabei war dieser Preis immens hoch. 60 deutsche Soldaten verloren in Folge des Afghanistan-Einsatzes ihr Leben. Die Opfer, die Folgen und Erfahrungen dieses Einsatzes prägen die Bundeswehr und die Veteraninnen und Veteranen bis heute. Auch heute noch sind deutsche Soldatinnen und Soldaten – etwa im Libanon – gefährlichen, ja traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt. Die Etablierung eines nationalen Veteranentags ist ein längst überfälliges Zeichen der Anerkennung der Leistung von Veteraninnen und Veteranen für unseren Frieden, die Freiheit und die Demokratie.

Doch dabei darf es nicht bleiben. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Deshalb trägt der Deutsche Bundestag die Verantwortung für alle Einsätze – und diese Verantwortung verpflichtet uns auch zu einer würdigen Erinnerungskultur. Wir müssen den Dialog zwischen Veteranen und Gesellschaft fördern, um die Einsatzvergangenheit aufzuarbeiten sowie Verständnis und Anerkennung für unsere aktiven Soldatinnen und Soldaten in der Mitte unserer Gesellschaft zu schaffen.

Es bleibt dabei enorm wichtig, sich als Gesellschaft auch kritisch mit der Geschichte der Bundeswehr auseinanderzusetzen und Probleme offen zu benennen. Extremistische Eskapaden Einzelner schaden immer allen und werden einer modernen Parlamentsarmee und unserer demokratischen Gesellschaft nicht gerecht. Wir müssen uns außerdem klar distanzieren von den Rückwärtsentwicklungen, wie wir sie zum Beispiel aktuell in den USA erleben, die auf Diskriminierung und stumpfem Heldenkult setzt. Die Bundeswehr muss ein toleranter, offener und sicherer Raum für alle Soldatinnen und Soldaten sein. Die besten Garanten dafür sind die zahlreichen Staatsbürger in Uniform, die sich genau dafür in der Truppe einsetzen.

Die Soldatinnen und Soldaten wissen, für welches Deutschland sie im Zweifel kämpfen müssen und dass es sich auch zu kämpfen lohnt. Eines, das ihre Rechte schützt, ihre Freiheit sichert und ihre Loyalität gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung braucht. Sie sollen auch wissen, dass ihre Kameraden, die Gesellschaft und auch die Politik hinter ihnen stehen. So kann im Ernstfall, 70 Jahre nach Gründung der Bundeswehr, Deutschland verteidigt werden und mit ihm die Werte, für die unser Land steht: Einigkeit und Recht und Freiheit.

Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Happy-Birthday-Bundeswehr-Unsere-Truppe-verdient-Respekt-id30002266.html