Von: Matthias Lohr
„Der Kasseler Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic wirft der Bundesregierung beim Krieg in Gaza eine „passive Zuschauerrolle“ vor. Seiner Ansicht nach spricht viel dafür, dass Israel Hunger als Waffe einsetzt.
Der Kasseler Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic übt deutliche Kritik an der Bundesregierung wegen der Haltung von Union und SPD zum Krieg in Gaza und Israel. Gegenüber der HNA forderte das Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, die Bundesregierung müsse „ihre passive Zuschauerrolle dringend überdenken“. Hintergrund ist eine Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion. In dem Text stellt die Bundesregierung fest: „Das Leiden der Menschen muss gelindert und die humanitäre Lage auf eine Weise verbessert werden, die mit den humanitären Prinzipien und dem humanitären Völkerrecht voll vereinbar ist.“
In der Antwort werden Berichte der Vereinten Nationen (UN) zitiert, laut denen sich 470.000 Menschen „in einer hungersnotähnlichen Situation“ befinden. Auch auf die internationale Kritik an der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), einer privaten Organisation, die mit vier Lebensmittelverteilstellen etwa 400 Ausgabestellen der UN ersetzen soll, wird eingegangen. Laut Mijatovic wurden an den GHF-Posten mindestens 800 Menschen durch die israelische Armee getötet. All das sei der Bundesregierung bekannt, aber sie ziehe keine Konsequenzen: „Die Bundesregierung muss Druck auf Israel ausüben, damit etwa das World Food Programme und andere Organisationen dort wieder arbeiten können. 130.000 Tonnen Lebensmittel stehen derzeit bereit. Es braucht lediglich die Freigabe der israelischen Regierung.“
Deutschland müsse sich auch dafür einsetzen, dass der Haftbefehl gegen Premierminister Benjamin Netanjahu durchgesetzt wird. Im Mai hatte Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt, er würde einen Haftbefehl „umgehen“. Für Mijatovic wäre dies ein Verstoß gegen Vereinbarungen und eine Schwächung des Internationalen Strafgerichtshofes.
Zuletzt hatte Merz noch einmal betont: „Unsere Staatsräson ist die Verteidigung Israels in seiner Existenz.“ Auch Mijatovic hält fest, dass Deutschland die Existenz des jüdischen Staates „immer verteidigen muss“. Er fragt sich jedoch mittlerweile auch: „Ist nicht die israelische Regierung selbst ein Problem für die Sicherheit des israelischen Staates?“
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem fast 1200 Menschen starben, und der militärischen Antwort Israels sollen in Gaza laut dem dortigen Gesundheitsministerium 56.000 Menschen getötet worden sein, darunter fast 16.000 Kinder. Mittlerweile sprechen Experten wie der israelische Historiker Omer Bartov von einem Völkermord. Mijatovic würde den Begriff aktuell nicht verwenden. Er hält ihn für politisch aufgeladen. Für den Grünen-Politiker deutet jedoch vieles darauf hin, „dass die israelische Regierung Hunger als Waffe einsetzt“. Dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit: „Im Völkerrecht sind beide Delikte gleichrangig.“ Die Frage, ob Israel einen Völkermord begeht, wird weiter vom Internationalen Gerichtshof geprüft.
Die Linke fordert längst einen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel. Mijatovic findet das populistisch. Es müsse sichergestellt werden, dass Waffen nicht völkerrechtswidrig in Gaza eingesetzt werden. Aber: „Israel braucht Waffen, um seine Existenz zu verteidigen.“
Währenddessen werden weiter israelische Geiseln festgehalten. Israel hat seine Besatzung des Westjordanlands intensiviert und gerade Syrien angegriffen. Die Hoffnung auf Frieden in der Region gibt Mijatovic dennoch nicht auf: „Mein Hoffnungsträger ist die starke Zivilgesellschaft in Israel.“ Er selbst erhält immer wieder Kritik: „Wenn ich den Haftbefehl gegen Netanjahu verteidige, heißt es, ich sei antiisraelisch und antisemitisch. Wenn ich keinen Rüstungsexportstopp nach Israel fordere, wird mir vorgeworfen, Verbrechen Vorschub zu leisten.“ (Matthias Lohr)“
