Serbien und das deutsche Interesse am Lithium

Vor zwei Jahren wurde das Lithium Projekt des Bergbau Unternehmens Rio Tinto durch Proteste von Umweltbewegungen gestoppt. Im Jardar Tal werden große Vorkommen des Rohstoffes vermutet. Die Adern sollen bis ins Nachbarland Bosnien und Herzegowina reichen. Die Nachfrage nach Lithium ist weltweit enorm. Autobauer und Konsumgüterindustrie, vom Staubsauger bis zum Handy, verlangen nach dem Rohstoff und versuchen sich Quellen um fast jeden Preis zu sichern.

In Serbien ist Bundeskanzler Scholz jetzt überraschend zu Besuch gewesen, um vermutlich genau diese Interessen an den Lithium Vorkommen zu besprechen. Dabei ist die politische Lage in Serbien weiterhin alles andere als demokratisch. Im Gegenteil, die Wahlen vom Dezember 2023 haben OSZE und Europarat als „nicht fair“ bewertet. Präsident Vucic hat seine Macht über die Verwaltung benutzt, um die Wahlen zu seinen Gunsten zu verschieben. Als Wahlbeobachter der OSZE PV vor Ort habe ich dies selbst miterlebt: Gelenkte Berichterstattung der Medien, fehlerhafte Aufstellungen der Listen bis hin zu manch fragwürdigen Vorkommen in den Wahllokalen.

Generell ist unübersehbar, dass Serbien unter Präsident Vucic sich immer weiter vom EU-Kurs entfernt, aggressive Töne und Handlungen gegenüber den Nachbarn zur Regel werden und auch im Land selbst die Stimmung nicht wirklich stabil ist. Das Parlament nimmt sich regelmäßig selbst jegliche Kompetenz zur Regierungskontrolle, und die Regierung ist dem Präsidenten weitgehend untergeordnet. Die Opposition hat einen sehr schweren Stand, erfährt zuletzt von Wahlterminen, wird in der Arbeit an vielen Stellen blockiert und wird durch massive Wahlfälschungen behindert. Häufig sind falsche Wählerlisten und – vor allem in Belgrad, wo die Opposition besonders stark ist – zehntausende falsche Wahlbenachrichtigungen aufgetaucht. Dazu kommen Schikanen und sogar Übergriffe auf unabhängige Beobachter am Wahltag.

Mit dieser Regierung nun ins Geschäft über Lithium zu kommen, gleicht dem berühmten Ritt auf der Rasierklinge. Der sehr fragwürdige autoritäre Kurs von Vucic darf nicht gestützt werden. Zugleich ist Deutschland für Serbien schon heute der wichtigste Handelspartner, über 70.000 Jobs hängen am deutschen Engagement in Serbien. Es kann nicht unser Interesse sein, das Land und die Menschen für den völlig absurden Kurs von Herrn Vucic zu bestrafen, mit dem die demokratische Opposition noch weiter zurückgeworfen wird. Auch die Umweltfragen sind keinesfalls gelöst, und den lokalen Behörden ist nicht zu trauen. Der Lithiumabbau ist wie jeder Bergbau mit erheblichen Eingriffen in die Natur verbunden. Gut, wenn Deutschland hohe Standards ansetzt und den Abbau bestmöglich gestalten will. Dafür darf aber die Regierung Serbiens nicht aus der Verantwortung gelassen werden. Darum fordere ich zwei Dinge: Zum einen darf keines der Unternehmen dem Wohl des Regimes dienen. Und zweitens: die Auflagen zum Umweltschutz müssen von der Regierung begrüßt und von der Verwaltung vor Ort auch geleistet werden. Eine Kontrolle durch NGO’s vor Ort und international wird weiterhin diesen Prozess kritisch begleiten.