Rede im Deutschen Bundestag vom 17. September 2025: Zum Haushaltsplan 2025 des Auswärtigen Amtes

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© Deutscher Bundestag

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Man muss kein Mathegenie sein, um die aktuellen Haushaltskürzungen im Etat der humanitären Hilfe als außenpolitischen Totalausfall im Entwurf der Bundesregierung zu erkennen.

Kriege, Katastrophen, die Folgen der Klimakrise – das ist alles bekannt -, und Sie von Union und SPD ziehen sich aus der Verantwortung zurück. Die humanitäre Hilfe um mehr als die Hälfte zu kürzen, ist gegenüber dem Leid auf der Welt unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Rothfuß (AfD): Das waren doch Ihre Zahlen!)

Die UN beziffern den humanitären Bedarf auf 46 Milliarden Euro.

(Armin Laschet (CDU/CSU): Euer Entwurf!)

Finanziert ist aktuell nicht mal ein Fünftel. Und was macht Deutschland? Kürzen! Sie von SPD und Union drücken den Anteil im Bundeshaushalt damit auf unter 0,2 Prozent.

(Armin Laschet (CDU/CSU): Es ist euer Entwurf! Das ist doch ihr Beschluss! Das ist doch ihr Entwurf!)

– Herr Laschet, lassen Sie sich das doch mal auf der Zunge zergehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland reiht sich mit diesem Haushalt in einen fatalen Trend ein, den Donald Trump mit der Auflösung von USAID bereits geht. Gemeinsam reißt der reiche Teil der Welt ein riesengroßes Loch in das humanitäre System. Die Wirkung für das internationale System der humanitären Zusammenarbeit ist katastrophal.

Die Folgen sind bekannt; und wer sie hören will, der kann sie auch hören. Hilfsorganisationen streichen Programme, Millionen von Menschen werden im Stich gelassen. Und hier geht es nicht um Fahrradwege. Hier geht es um Leben und Tod.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Die Hilfsorganisation Help spricht von etwa 7 Millionen betroffenen Menschen, die allein durch die deutschen Kürzungen nicht mehr erreicht werden. Das bedeutet: Eine globale Triage steht an. Die Organisationen und das Amt müssen entscheiden, wo sie helfen, wo Menschen gerettet werden und wo sie es eben nicht mehr tun können.

Meine Damen und Herren, so spielen wir Krisen mit Blick auf unsere Unterstützung also künftig gegeneinander aus: Gaza ja, aber Sahel und Sudan nein? Erdbeben in Afghanistan vielleicht, aber Fluten in Pakistan und Indien nein? Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Diese Liste ließe sich doch problemlos fortsetzen. Das ist doch das Problem, vor dem wir stehen. Die Auswirkungen sind fatal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Andrea Lindholz:

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage.

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Von wem denn?

Vizepräsidentin Andrea Lindholz:

Aus der CDU-Fraktion.

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Bitte.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Herr Kollege, ich habe lange gezögert, diese Zwischenfrage zu stellen, auch schon bei vorherigen Ausführungen. Aber weil Sie jetzt so darauf insistieren und die Auswirkungen dieser Politik darstellen, will ich gar nicht in der Sache darüber sprechen; darüber könnte man sehr gut sprechen. Aber Sie tun das, bekommen von der Fraktion dafür Applaus und erwähnen nicht mit einem Satz, dass das, worüber Sie sich gerade empören, exakt Ihre Politik ist. Dieser Satz fehlt einfach bei Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Armin Laschet (CDU/CSU): Die von Annalena Baerbock! Das war der Baerbock-Entwurf! – Zuruf der Abg. Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es war die Ampelregierung, es war Ihre Außenministerin. Sie haben dafür gestimmt im letzten Parlament.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Wir haben das kritisiert, das ist richtig. Sehen Sie mal, welche Auseinandersetzung wir uns jetzt liefern. Es war in Ihrer Verantwortung, dass Sie den Kurs der humanitären Hilfepolitik der vergangenen Großen Koalition korrigiert haben. Da lag das Niveau der humanitären Hilfe bei 2 Milliarden Euro.

(Armin Laschet (CDU/CSU): So ist es!)

Und dann haben Sie es mit Ihrer grünen Außenministerin in Ihrer Verantwortung,

(Peter Beyer (CDU/CSU): Genau! Die hat es gecuttet!)

mit Ihrer Stimme auf 1 Milliarde Euro reduziert.

(Armin Laschet (CDU/CSU): So ist es!)

Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Jetzt habe ich nur eine einzige Bitte, nur eine Bitte. Gar nicht, dass Sie Ihre Kritik zurücknehmen; darüber sollten wir reden, das sage ich. Humanitäre Hilfe hat ihren Sinn, ihre Rechtfertigung mehr als zuvor; überhaupt keine Frage. Aber dass Sie das kritisieren und Ihre eigene Verantwortung und Ihr eigenes Tun nicht mit einem Wort erwähnen, das tut der Glaubwürdigkeit der Außenpolitik des Bundestages, aber besonders auch der grünen Fraktion keinen Dienst. Das wollte ich nur sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Andrea Lindholz:

Wir interpretieren das jetzt als Frage.

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Röttgen, ich muss mich doch ein bisschen wundern. Sie sind ja schon länger Mitglied hier im Haus,

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Deswegen weiß ich es ja! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und ich habe nur kommunalpolitische Erfahrungen. Aber wir sind doch hier diejenigen, die das Königsrecht des Haushaltes innehaben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Beyer (CDU/CSU): Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? So macht ihr Politik!)

Wie Sie doch in den letzten Jahren gemerkt und gesehen haben, haben wir mit unseren Haushälterinnen und Haushältern – mit Jamila Schäfer, mit Sven-Christian Kindler – gemeinsam dafür gesorgt,

(Peter Beyer (CDU/CSU): Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Wahnsinn!)

dass die Entwürfe der Regierung entsprechend korrigiert wurden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben um 700 Millionen Euro im ersten Jahr aufgestockt. Wir haben 500 Millionen Euro im zweiten Jahr aufgestockt.

(Peter Beyer (CDU/CSU): Armselig!)

Wir haben eine Ernährungsmilliarde draufgelegt. Ich würde mir wünschen, Herr Röttgen, Sie hätten genügend Kraft, gegenüber dem Bundeskanzler und dem Außenminister deutlich zu machen, dass diese Kürzungen im Etat ein Fehler sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glauben Sie doch nur nicht, dass ich das nicht auch in meiner Fraktion und in unserer Regierungszeit nicht schon zur Sprache gebracht habe.

(Peter Beyer (CDU/CSU): Ganz schwach!)

Diese Kürzungen – damit setzte ich meine Rede fort –

sind doch das Problem, meine Damen und Herren. Wir laufen auf eine Triage zu. Wir verlieren ein System, das sich bewährt hat. Das ist das Problem, vor dem wir stehen; da sind wir uns interfraktionell einig. Ja, dann lassen Sie uns einen Sockelbetrag festlegen und dieses jämmerliche Schauspiel beim Feilschen um den Haushalt im humanitären Bereich nicht jedes Jahr aufführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie begehen hier einen Wortbruch. Sie haben das doch in der Koalitionsvereinbarung hinterlegt. Da steht doch „auskömmlich“ drin. Da habe ich doch anscheinend einen Nerv getroffen, weil das nicht auskömmlich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, müssen wir klarziehen. Und das ist die traurige Realität.

Für ein Land, das man mit dem Marshallplan aus einer dunklen Stunde der Geschichte geholt hat, ist dieser Haushalt eine Scham.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Rachel (CDU/CSU): Schöne Grüße an Frau Baerbock!)